Der Filmtitel wirkt wie ein Traumabewältigungsfilm für Kinder – doch der Schein trügt! Mit The Dragon Dentist kommt ein ganz besonderer letzter Streifen für das monatliche Event der KAZÉ Anime Nights. Selbstverständlich haben wir schon in den Film hineingeschaut und haben viel zu berichten.
In wenigen Tagen ist es soweit und die Vorhänge öffnen sich ein letztes Mal für dieses Jahr bei den KAZÉ Anime Nights. Dieses Mal mit dabei ist ein Film, der wahrscheinlich eher unbekannt sein könnte. Aber gerade Unbekanntes kann viel Freude und Spannung bereithalten.
Der Film The Dragon Dentist stammt von Studio Khara. Durch die Produktion diverser Evangelion-Titel bekannt geworden, befindet sich Kazuya Tsurumaki im Produktionsteam. Das Drehbuch stammt aus der Feder von Yoji Enokido, welcher ebenfalls durch seine Arbeit bei Bungo Stray Dogs Bekanntheit erlangte. Die Fantasy-Geschichte rund um Drachen und Zahnärzte hat eine Gesamtlaufzeit von 90 Minuten und ist mit einer Altersfreigabe von FSK 16 versehen.
Nun heißt es aber erst einmal Platz nehmen im Wartezimmer, denn der Film wird erst am 27. Oktober 2020 in über 200 österreichischen, schweizerischen und deutschen Kinos ausgestrahlt. Aber statt langweiliger Magazine und sterilen Wänden, kann man sich ja schonmal mit uns gemeinsam einen Vorgeschmack auf das Kinospektakel holen.
Handlung
In einer alternativen Welt werden Kriege auf den Rücken gewaltiger Drachen ausgetragen, groß genug, dass sie ganze Schlachtschiffe tragen können. Diese Drachen sind stark genug, dass sie das Blatt in Kriegen wenden können, aber sie haben eine einzige Schwäche – ihre Zähne. Nonoko ist eine neu ernannte Drachen-Zahnärztin und hat die Aufgabe, den Drachen, den Hüter des Landes, vor Bakterien in der Zahnhöhle zu schützen.
Eines Tages findet Nonoko nach heftigeren Kämpfen mit dem Nachbarland zwischen den Zähnen des Drachen einen bewusstlosen Jungsoldaten aus dem feindlichen Land. Sein Name ist Bell und er wurde vom Drachen aus dem Zahninneren auferweckt – ein Phänomen, das der Legende nach vor einer großen Katastrophe auftritt…(© KAZÉ Anime)
Unterhaltung
Ein Titel, der einfach neugierig macht. Mit großer Spannung weiß man nicht, was einen erwartet. Tatsächlich ist die Geschichte anfangs sehr selbsterklärend. Ein Krieg wütet zwischen zwei Nationen, wovon eine über einen äußerst mysteriösen Drachen verfügt. Der Drache ist riesig und alleine die Zähne, welche die größte Schwäche des Ungetüms sind, sind mehrere Meter hoch. Um diese Schwäche schützen zu können, hat es sich eine Gruppe erfahrener Ärzte und Krieger zur Aufgabe gemacht, gefährliche Erreger und Schädlinge zu terminieren. Hinter den Zähnen versteckt sich ein weiteres sonderbares Geheimnis, welches sich langsam während des Films entfaltet.
Der Film ist in den ersten 30 Minuten eher gemütlich und führt angenehm in die Handlung ein und stellt die wesentlichen Charaktere vor. Ohne jede Vorwarnung schlägt jedoch die Stimmung schlagartig um und versetzt den Zuschauer in Spannung und Unbehagen – es ist kein Spoiler, wenn wir verraten, dass es unangenehm als Zuschauer ist, wenn man Zähne zerbersten sieht.
Selbstverständlich gibt es auch viel emotionale Charakterentwicklung zu beobachten. Insbesondere die beiden Protagonisten geben immer mehr über sich preis. Besonders lobenswert sind auch die Nebenrollen, welche die Handlung sehr stark tragen und ein Gefühl von Authentizität verleihen. Man fühlt sich durch diesen Umstand direkt in die Handlung gezogen.
Ungenügend sind jedoch oft Erklärungen von Fakten oder Zusammenhängen. Man hat immer wieder das Gefühl, dass man nicht alle nötigen Informationen hat, um den Film vollständig nachvollziehen zu können. Um den Film nicht seiner Spannung zu berauben, hat man wohl auf zu viele erklärende Dialoge verzichtet.
Insgesamt wird ein breites Spektrum an Gefühlen geliefert. Neben dem Druck von Krieg und der ständigen Angst zu sterben, gibt es auch einige herzliche Augenblicke, die die Geschichte der Zahnärzte vielseitiger wirken lässt. Im Kino wird man zumindest in Sachen Unterhaltung voll auf seine Kosten kommen.
Synchronisation
Der deutsche Sprechercast leistet eine solide Arbeit. Qualitative Merkmale wie Lippensynchronität und Aussprache sind einwandfrei. Anders als bei einigen anderen Produktionen, fällt diese hier nicht unbedingt positiv oder negativ auf. Die Synchronisation ist eher neutral zu bewerten und erfüllt seinen Zweck.
Man hört aber der Synchronisation gerne zu und das Dialogbuch wirkt durchdacht. Letztlich passt sich die Synchronarbeit an die Bild- und Tonqualität an.
Bild- und Animationsqualität
The Dragon Dentist wirkt auf eine schöne Art ungeschliffen und teils minimalistisch ausgearbeitet. Besonders im Maul des Drachens sind die Hintergründe strahlend weiß. Auch bei diversen Dialogen sind die Hintergründe einfarbig gehalten und legen den Fokus auf den Sprechenden.
Besonders zu betonen ist das Spiel der verschiedenen Farbkontraste. Die Farben rund um den Drachen sind hell und strahlend. Momente auf der Erde oder im Krieg sind hingegen düster mit vielen verschiedenen dunklen Blau- und Grautönen.
Der Zeichenstil wirkt wenig modern. Die Charakterdesigns wirken auch weniger auffällig. Wie die Protagonisten, sind auch die anderen Nebenrollen nichtssagend gestaltet. Lediglich das Böse des Films weißt ein wirklich besonderes und ansprechendes Artwork auf.
Kontrastrierend wirken dagegen die verschiedenen Krankheitserreger, die die Zähne heimsuchen. Diese sind kantig oder rund, schwarz und sehr modern ausgearbeitet. Sie wirken fast schon wie Computerviren und strahlen so zusätzliche Unnatürlichkeit aus, was die Gefährlichkeit nur zusätzlich betonen kann.
Die Animationsqualität wirkt hochwertig. Kampfszenen sind packend gestaltet und lassen den Zuschauer direkt in das Geschehen eintauchen. Die Bewegungen der Krankeitserreger verstärken das Gefühl des Kampfdrucks. Die Animationen laufen immer flüßig und sind sehr vielseitig umgesetzt.
Musikalisch ist der Film sehr ansprechend gestaltet. Für die verschiedenen Situationen wurden passende Melodien in den Hintergrund gelegt. Von emotional bis hin zu dramatisch ist viel geboten. Die Special-Effects sind passend abgemischt. Negativ fallen jedoch die Waffenschüsse auf. Diese wirken sehr künstlich und überzeugen leider überhaupt nicht. Andere Kampfgeräusche wirken hingegen durchaus realistisch und fesselnd.
Schlussendlich kann man festhalten, dass die Bildqualität seinen eigenen Charme besitzt, welcher die Situation passend vermittelt. Die unbesonderen Charakerdesigns wirken sich sehr gut auf die Handlung aus und helfen dem Zuschauer sicherlich, sich besser in die Protagonisten hineinfühlen zu können. Die Spezialeffekte und die musikalischen Einlagen sind dabei sehr gut abgemischt.
Fazit
Über Zähne zu reden ist für viele Menschen ein unangenehmes Thema. The Dragon Dentist ist an einigen Stellen sehr brutal zu den weißen Beißerchen – armer riesiger Drache. Die Handlung mag wie der Filmtitel zunächst befremdlich wirken. Viele Dinge wirken wie selbstverständlich und werden nur oberflächlich erklärt.
Die Protagonisten stehen zwar im Mittelpunkt, drängen sich aber nicht auf den Bildschirm. Die Handlung wird auch durch die verschiedenen individuell auffallenden Nebenrollen getragen.
Qualitativ ist der Film Geschmackssache. Die Synchronisation fällt nicht negativ auf, sticht aber auch nicht positiv hervor. Für einen Film diesen Umfangs und ohne zugehöriges Franchise ist die deutsche Umsetzung durchaus angemessen. Grafisch wirkt dieser Streifen sehr malerisch und fantasievoll. Durch gekonnt eingesetzte Farbspiele werden die Stimmungshochs und -tiefs vermittelt und fesseln an den Kinosessel wie eine Zahnwurzelbehandlung – nur dass der Film definitiv mehr Unterhaltung bietet als das Gebohre beim Zahnarzt.
Alles in allem ist der Film ein Besuch im Kino wert. Man wird definitv unterhalten mit einem Titel, von dem man es vielleicht gar nicht erwartet hätte. Unsere Redaktion hatte nur ein großes Problem – einen Film über Plaque zu sehen, während man sich süßes Popcorn und Softdrinks gönnt.
An dieser Stelle möchten wir uns bei KAZÉ Anime für die Gelegenheit dieses First Looks bedanken.