Nichts für zarte Gemüter! Das ist die Devise für den Titel Twittering Birds Never Fly. Doch sollte man sich dadurch nicht abschrecken lassen, denn es erwartet eine Handlung, welche düster und später komplex zugleich ist.
Die Mangaka Kou Yoneda ist in Deutschland kein unbeschriebenes Blatt. So erschienen bereits 2012 und 2014 zwei ihrer Werke – No touching at all und NightS im Verlagshaus TOKYOPOP. Auch diese Werke sind dem Genre Boys Love zuzuordnen und präsentieren teils ihren Faible für Yakuza.
Twittering Birds Never Fly hingegen wird seit 2013 kapitelweise im Magazin “ihr HertZ” gedruckt und umfasst in Japan derzeit 6 Bände. Für Deutschland kündigte Manga Cult bisher die ersten drei Bände mit Datum für den BL der etwas schmutzigeren Art an.
Außerdem erschien im Februar eine Anime-Adaption des Manga, welche die ersten acht Kapitel abdeckt. Dies entspricht dem ersten Band und der Hälfte des zweiten Bandes. Zudem wurde eine Adaption des One Shots Don’t Stay Gold als OAD angekündigt, welche in Japan dem 7. Band beiliegen soll.
Handlung
Zuerst ist anzumerken, dass der 1. Band aus dem One Shot Don’t Stay Gold, drei Kapiteln der eigentlichen Handlung zu Twittering Birds Never Fly und dem One Shot Kein Sturm wird den Untergang bringen und kein Abschied Tränen besteht.
Kuga wird als “tollwütiger Hund” bezeichnet, welchem körperliche Gewalt kein Fremdwort ist. Dieser hat zunehmend hohe Schulden bei der Yakuza, die er abarbeiten muss. Doch sein Hang zur Gewalt macht ihn unbrauchbar unter dem Yakuza-Boss Yashiro zu arbeiten. Kurzerhand wird der Arzt Kageyama dazu verpflichtet, Kuga zu zähmen doch dabei bleibt es nicht.
Don’t Stay Gold ist mit den Protagonisten Kuga und Kageyama eine Art Spin-Off, welches aber direkt zur eigentlichen Handlung überleitet. Denn diese nimmt mit dem Yakuza-Boss Yashiro und seinem Bodyguard Chikara Doumeki ihren Lauf.
Yashiro ist gewiss nicht prüde und hat in seinem Leben schon die ein oder andere Tortur über sich ergehen lassen müssen. Er scheint regelrecht von sexueller Begierde erfüllt zu sein und ist wenig wählerisch, mit wem und mit wie vielen Menschen – vorzugsweise Männer – er diese Begierde befriedigt. Noch dazu outet er sich als Masochist, den Schmerzen zum Höhepunkt kommen lassen. Er ist ein Mann, der nie gelernt hat, was wahres Glück bedeutet.
Er hat jedoch eine Regel, an die er sich strikt hält: Er lässt die Finger von seinen eigenen Männern. Diese Regel scheint weitgehend zu funktionieren, zumindest bis Doumeki anfängt, als Bodyguard für ihn zu arbeiten. Yashiro findet Gefallen an dem stillen und zurückhaltenden Mann, doch dieser scheint die Avancen aus einem bestimmten Grund nicht zu erwidern.
Dies beirrt Yashiro jedoch nicht im Geringsten und er verwickelt Doumeki entsprechend häufig in den sexuellen Akt des Fellatio. Gerade die ersten Kapitel drehen sich größtenteils um das Kennenlernen der Protagonisten und die zahlreichen Nebencharaktere. Zu Anfang scheint die Welt der Yakuza noch nebensächlich, doch im letzten Kapitel wandelt sich dies, indem man die Bosse verschiedener Gruppen vorgestellt bekommt. Kein leichtes Unterfangen, sich deren Namen und Gesichter auf Anhieb für den folgenden Band zu merken.
Der zweite One Shot beschäftigt sich mit einem Teil von Yashiros Vorgeschichte – seiner Schulzeit. Außerdem erhält man einen kleinen Einblick, wieso sich Yashiro zu einem kaltherzigen und abgebrühten Mann mit derart masochistischen Zügen entwickelte.
Wie beschrieben, schleicht die Handlung zögerlich voran. Es lässt sich zumindest noch kein Ziel erkennen, auf welches die Protagonisten versuchen hinzuarbeiten. Dies macht den Band jedoch nicht weniger interessant oder lesenswert, da er mit einer gewissen Art von Offenheit an gesellschaftskritische Themen herangeht.
Die Szenen und Wortwahl sind natürlich recht unverblümt und machen den Titel für ein entsprechend älteres Publikum begehrt. Aber Vorsicht, der Manga spricht sensible Themen wie Mord, Vergewaltigung und Pädophilie an. Auch das allgemeine Setting der Yakuza ist von Gewalt geprägt.
Der erste Band ist noch wenig von einer reichen Handlung geprägt, jedoch ändert sich das schlagartig mit dem zweiten Band. Mit Band 1 wurden wir regelrecht sanft an die Protagonisten herangeführt, um diese besser kennenzulernen, bevor die Handlung beginnt, sich zu entfalten und weitaus komplexer zu werden als angenommen.
Zeichenstil
Kou Yoneda ist nicht für einen überaus detaillierten Zeichenstil bekannt. Dies spiegelt sich auch bei Twittering Birds Never Fly wieder. Die Charaktere sind grundlegend sauber mit markanten und klaren Linien gezeichnet. Hintergründe, sofern vorhanden, sind meist klar aber spärlich gezeichnet, sodass es den Fokus auf die Charaktere lenkt.
Wie für einen Manga üblich, besteht er aus Schwarz-Weiß-Zeichnungen, doch selbst dann benutzen viele Mangaka eine Reihe von Grauabstufungen, um die Zeichnungen freundlicher wirken zu lassen. Bei Twittering Birds Never Fly ist dies weniger der Fall. Hier wirkt es eher so, als wäre die Welt des Manga an sich in Schwarz-Weiß gehüllt, welches einen dramatischen und düsteren Effekt zur Folge hat. Zudem wird extrem viel mit Licht und Schatten gearbeitet, vor allem um die Mimik zu verstärken. Diese Atmosphäre erinnert ein wenig an die grauen Herren aus Momo.
Die Kleidung ist natürlich wenig individuell, da ein Anzug für Mitglieder der Yakuza als normal erscheint. Dafür sind die Charaktere nackt weitaus definierter gezeichnet. Muskelpartien sind gut erkennbar und laden zu einer erotischen Darstellung ein. Bei Sex oder Szenen mit sexuellen Inhalten wird viel verdeckt oder schemenhaft dargestellt. So sind Geschlechtsorgane zumeist nicht explizit gezeichnet.
Sehr interessant sind jedoch die verschiedenen Perspektiven, aus welchen Kou Yoneda einzelne Szenen überblicken lässt. Sporadisch zeichnet sie die Charaktere aus einem Winkel von schräg oben und bringt dadurch Dynamik ins Spiel.
Der Verlag stellt übrigens eine kostenlose Leseprobe zur Verfügung. Damit kannst du dir selbst einen Überblick über den Zeichenstil verschaffen und ob dich dieser anspricht.
Deutsche Verarbeitung
Twittering Birds Never Fly ist, wie auch andere Manga-Reihen von Manga Cult, im Großformat erschienen. Der Manga umfasst 218 Seiten und erscheint recht dick zu sein – dicker als andere Manga. Der Preis ist auf 10 € festgelegt. Auch wenn der Titel als Großformat sehr angenehm zu lesen ist, so wäre tatsächlich ein Kleinformat ausreichend gewesen. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Folgebände für einen Preis von 12 € zu erwerben sind.
Das Cover ist passenderweise recht simpel, matt und bedient sich ebenfalls vornehmlich der Farben Schwarz und Weiß, die bereits vor dem Aufschlagen das Setting und die Atmosphäre unterstützen. Der Titel und das Logo des Verlags ist je auf dem Cover und dem Buchrücken mit Spotlackierung hervorgehoben.
Die ersten beiden Doppelseiten sind farbig auf Hochglanzpapier gedruckt, doch steigen diese nicht in die Handlung ein. Eine Seite davon präsentiert das Cover des One Shots Don’t Stay Gold. Eine Andere stellt das Inhaltsverzeichnis dar. Weitere Farbseiten wären ohnehin nicht vorhanden gewesen, da in Japan ebenfalls keine erschienen sind. Diese beginnen erst mit dem 2. Band.
Sehr angenehm ist die Falz auf der Vorder- und Rückseite des Manga. Damit kann man auch als Sammler reinen Gewissens die Seiten so aufschlagen, dass man nicht die Augen zusammenkneifen muss, um den Inhalt zu sehen und zu lesen. Dies gewährt ein freundliches Lesevergnügen, ohne den Manga mit Leserillen oder Knicken zu beschädigen und zu verunstalten.
Weiterhin fällt die Qualität des Papiers positiv auf. Auch der Druck ist ähnlich zu bewerten. Jedoch scheint es ein paar Sprechblasen zu geben, bei welchen der Text deplatziert wirkt.
Fazit
Twittering Birds Never Fly ist sicherlich als deliziöses Werk für ein ausgewähltes Publikum zu bewerten. Die entsprechende Altersempfehlung von 16+ Jahren sollte wegen der sensiblen Themen eingehalten werden. Und selbst dann sollten sich Leser im Klaren darüber sein, ob sie sich diesen Themen aussetzen wollen.
Abgesehen davon ist der Titel durchaus zu empfehlen. Es herrscht durchweg eine einzigartige Atmosphäre, welche schon mit dem Ansehen des Covers aufgebaut wird. Ebenfalls ist das Setting der Yakuza weitgehend unverbraucht und in diesem Fall unverblümt dargestellt. Gelegentliche Wortwitze lockern zwar die Stimmung, doch sind auch diese von einer düsteren Aura umgeben.
Definitiv ein Boys Love-Manga der besonderen Art, da sich in keiner Weise ein Blatt vor den Mund genommen wird. Diese Art der Offenheit wirkt sehr erfrischend und fesselnd.
Zuletzt möchten wir dem Verlag Manga Cult unseren Dank entrichten, dass sie uns mit der Bereitsstellung eines Rezensionexemplars unterstützt haben.
Pro
- Offenheit gegenüber sensiblen Themen
- Unverbrauchtes Setting
- Dramatische und düstere Atmosphäre
Kontra
- Nur für ausgewähltes Publikum zu empfehlen
- Bisher langsam voranschreitende Handlung